Inflation und Zinsentwicklung
Durch die Zinsanhebungen der EZB zur Eindämmung der Inflation haben sich die Bauzinsen seit Ende 2021 fast vervierfacht. Wie wirkt sich das auf die Baufinanzierungen von Eigennutzern und Kapitalanlegern aus? Und was sollten Kaufinteressenten jetzt tun?
Das Wichtigste in Kürze
- Eigenheimfinanzierer und Kapitalanleger können unter gewissen Voraussetzungen von einer langanhaltenden und hohen Inflation profitieren, weil diese die Immobilienkreditschulden entwertet.
- Wer demnächst eine Immobilien kaufen möchte, muss wegen des Zinsanstiegs jetzt tiefer in die Tasche greifen. Er sollte aber nicht auf sinkende Zinsen warten, da die Immobilienpreise bereits wieder anziehen.
- Wie sich Inflation und Bauzinsen weiterentwickeln, dazu gehen die Prognosen auseinander.
Keine gute Nachricht ohne Haken: Eine hohe Inflationsrate lässt den realen Wert von Immobilienkreditschulden sinken, aber gleichzeitg die Bauzinsen steigen. In Zahlen ausgedrückt sieht dieser Zusammenhang so aus: Während die Inflation im Jahresdurchschnitt von 3,1 Prozent im Jahr 2021 auf 6,9 und 5,9 Prozent in den beiden Folgejahren kletterte, erhöhten sich die Bauzinsen für ein zehnjähriges Darlehen von unter 1 Prozent Ende 2021 auf rund 3,5 bis 4 Prozent bis Mitte 2024.
Der Grund für den Zinsanstieg ist, dass die Europäische Zentralbank (EZB) zur Eindämmung der Inflation den Leitzins zehn Mal in Folge erhöhte. Dadurch wurde es für Banken immer teurer, sich Geld von der EZB zu leihen. Das wiederum bekommen Bankkunden in Form steigender Zinsen für Kredite zu spüren.
So beeinflussen Inflation und Zinsentwicklung eine laufende Baufinanzierung
Eigennutzer: Wer eine selbst bewohnte Immobilie finanziert, nutzt dafür in der Regel ein Annuitätendarlehen mit festem Zinssatz. Dieses Darlehen zeichnet sich durch gleichbleibende Raten über die gesamte Zinsbindungsdauer aus. Die Rate enthält Tilgung und Zins, so dass mit jeder weiteren zurückgezahlten Rate die Tilgung steigt und die Zinsbelastung sinkt.
Bei der Vergabe eines Annuitätendarlehens rechnet die Bank die für die Zinsbindungsdauer erwartete Inflation in die Kreditkonditionen ein. Dadurch wird das Darlehen etwas teurer, aber die Raten sind über die gesamte Laufzeit fix. Ist jedoch die Inflation höher als von der Bank kalkuliert, werden die Schulden des Kreditnehmers stärker entwertet als angenommen. Für die Bank bedeutet das: Sie bekommt real weniger Geld vom Schuldner zurück, weil die Monatsrate weniger wert ist.
Für den Schuldner kann daher eine hohe und langanhaltende Inflation bei der Rückzahlung seines Immobilienkredits hilfreich sein. Aber wie eingangs erwähnt: Keine gute Nachricht ohne Haken. Denn neben den Kreditschulden entwertet die Inflation auch das Einkommen des Kreditnehmers. Daher profitiert er bei der Baufinanzierung nur dann von der Inflation, wenn er diese durch eine Einkommenssteigerung ausgleichen kann. Andernfalls bleibt ihm von seinem bisherigen Monatsverdienst wegen der allgemein gestiegenen Preise weniger übrig und die Entlastung bei den Kreditschulden verpufft.
Kapitalanleger: Mehr noch als Eigennutzer können Kapitalanleger von der Inflation profitieren, vor allem, wenn sie einen Indexmietvertrag mit ihren Mietern geschlossen haben. Bei der Indexmiete verzichtet der Eigentümer auf sein Recht, die Miete immer wieder an die Vergleichsmiete anzupassen. Stattdessen erhöht er sie gemäß dem Verbraucherpreisindex. Dieser wird vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht und misst die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen. Die Veränderung zum Vorjahresmonat oder zum Vorjahr wird als Teuerungsrate beziehungsweise Inflationsrate bezeichnet. Sie lag zum Beispiel im Mai 2024 bei +2,4 Prozent gegenüber dem Vormonat, nachdem sie im April und März 2024 noch je +2,2 Prozent betragen hatte.
Orientiert sich die Miete am Verbraucherpreisindex und steigt dieser durch die Inflation an, erhöhen sich die Mieteinnahmen des Kapitalanlegers. Er darf zwar nur einmal im Jahr den Mietzins anheben, doch am Ende gleicht ihm der Mieter die Geldentwertung aus. Inflation ist somit in mehrfacher Hinsicht erfreulich für den Kapitalanleger: Seine Schulden werden entwertet, er zahlt weiterhin nur die vereinbarten Raten zahlt und seine Mieteinnahmen steigen. Mit anderen Worten: Seine Baufinanzierung wird billiger.
Wer allerdings seine Immobilie nicht über Indexmietverträge refinanziert, hat es nicht so leicht, Mieterhöhungen durchzusetzen. Die auseinandergehende Schere zwischen gleichbleibenden Mieteinnahmen und steigenden Betriebs-, Reparatur- und Instandhaltungskosten könnte darum manchem Kapitalanleger die Finanzierung erschweren.
Kurz- und Zwischenfinanzierer: Wer finanzkräftig genug ist, um eine Baufinanzierung schon nach kurzer Laufzeit vollständig zu tilgen, oder wer nur eine Zwischenfinanzierung benötigt, der greift in der Regel zu einem variablen Darlehen. Hierbei werden die Zinsen anders als beim Annuitätendarlehen nicht über einen langen Zeitraum festgeschrieben, sondern alle drei Monate dem aktuellen Zinsniveau auf dem Markt angeglichen.
Ein variables Darlehens hat verschiedene Vor- und Nachteile. Zu den Nachteilen zählt, dass der Kreditnehmer nichts von der Geldentwertung hat. Da die Bank die Bauzinsen regelmäßig anpasst, wird ein variables Darlehen in der gegenwärtigen Situation eher teurer als günstiger.
Kaufinteressenten: Wer in naher Zukunft eine Immobilie erwerben möchte, muss aufgrund der gestiegenen Bauzinsen höhere Finanzierungskosten in Kauf nehmen. Aktuell liegen die Zinsen für ein zehnjähriges Darlehen meist bei 3,5 bis 4 Prozent und damit deutlich über dem historischen Tiefstand von 2021, als die Marke von 1 Prozent unterschritten wurde. Große Darlehensvermittler wie Interhyp und Dr. Klein erwarten in den kommenden Monaten beim Zinsniveau eine Seitwärtsbewegung.
Das kosten Baudarlehen im Moment
Wie lange die Zinssätze bei einer 3 vor dem Komma verharren, ist schwierig vorauszusagen. Historisch gesehen, sind die aktuellen Bauzinsen aber immer noch niedrig. Zum Vergleich: Im Juni 2000 betrugen die Zinskosten für zehnjährige Darlehen 6,0 Prozent, im Juni 1990 sogar 9,0 Prozent. Wer sich zum Immobilienkauf entschlossen hat, sollte daher nicht zu lange zögern und sich schon bald eine noch vergleichsweise günstige Baufinanzierung sichern. Zum einen, weil die Inflation durch die hohen Tarifabschlüssen in vielen Branchen und weitere Einflüsse wieder ansteigen könnte, zum anderen, weil inzwischen die Preise für Bestandshäuser und Eigentumswohnungen wieder anziehen.
Aktuelle Bauzinsen auf einen Blick
Dr. Klein | Interhyp | Commerzbank | Deutsche Bank | |
Zinsbindung u. effektiver Jahreszins | 10 Jahre: 3,57 %20 Jahre: 3,67 % | 10 Jahre: 3,99 %20 Jahre: 4,36 % | 10 Jahre: 3,99 %20 Jahre: 4,21 % | 10 Jahre: 4,33 %20 Jahre: 4,45 % |
Website | drklein.de | interhyp.de | commerzbank.de | deutsche-bank.de |
Quelle: Webseiten der Anbieter. Stand: 01.07.2023
Wohin Inflation und Bauzinsen tendieren
Aufgrund des Abflauens der Inflation hat die EZB am 6. Juni 2024 den Leitzins erstmals nach zehn Erhöhungsschritten wieder gesenkt: von 4,5 auf 4,25 Prozent. Dadurch werden Baudarlehen tendenziell günstiger. Zugleich erhöhte die EZB aber ihre Inflationsprognose für 2024 von 2,3 auf 2,5 Prozent. Auch die Commerzbank warnt, dass das Inflationsproblem „noch lange nicht gelöst“ sei. Sie erwartet eine Inflationsrate von 2,7 Prozent in diesem und 2,5 Prozent im kommenden Jahr. Auch Bundesbank, Deutsche Bank und Helaba sehen die Inflationsrate 2025 bei 2,5 Prozent. Zwar erwarten die Märkte, dass die EZB den Leitzins in diesem Jahr noch ein oder zwei Mal leicht senken könnte. Da aber die Kerninflation (ohne Lebensmitel und Energie) noch immer über der Gesamtteuerung liegt, herrscht große Unsicherheit über die EZB-Zinspolitik im Jahr 2025.
Für die Bauzinsen heißt, dass sie in den kommenden Monaten noch auf dem gegenwärtigen moderaten Niveau liegen werden. Ob das aber 2025 auch noch sein wird, ist offen. Wer bauen oder kaufen will, könnte gut beraten sein, noch in den Zinsdellen des Jahres 2024 sein Vorhaben zu starten, statt auf sinkende Bauzinsen zu spekulieren. Letzteres könnte sich in ein oder zwei Jahren als teurer Fehler erweisen. Auch wer in absehbarer Zeit eine Anschlussfinanzierung benötigt, sollte überlegen, sich die derzeitigen Konditionen über ein Forward-Darlehen für die kommenden zehn oder 15 Jahre zu sichern.
Immobilienkauf trotz Inflation und hoher Zinsen
Doch Zinssatz hin oder her: Ist es überhaupt sinnvoll, in Zeiten der Inflation in eine Immobilie zu investieren? Grundsätzlich ja, denn Immobilien sind in der Regel eine wertstabile Anlage. Wer Erspartes auf dem Konto liegenlässt, verliert jedes Jahr einen bestimmten Prozentsatz davon durch die Inflation. Wer das Geld dagegen in Immobilien investiert, hat als Eigennutzer gute Chancen auf eine Wertsteigerung seines Investments und als Kapitalanleger zusätzlich die Aussicht auf steigende Mieteinnahmen – immer vorausgesetzt, der Staat sorgt nicht durch Heizungswenden, Sanierungspflichten und andere Regulierungen für eine Entwertung der Immobilien.
Da durch die Inflation auch die Baukosten massiv gestiegen sind, hat sich die Nachfrage nach Immobilien seit Frühjahr 2022 deutlich abgekühlt. Dadurch gingen die Preise für Wohnimmobilien zurück.
Doch laut Empirica Institut könnte die Talsohle erreicht sein, denn die Preise neugebauter Eigentumswohnungen ziehen wieder an. Sie verteuerten sich deutschlandweit im ersten Quartal 2024 um 0,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal und um 1 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Auch die Preise neuer Ein- und Zweifamilienhäuser scheinen sich zu stabilisieren. Sie sanken deutschlandweit im ersten Quartal 2024 nur noch um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Darum sollte, wer kann, seine Kaufpläne nicht mehr auf die lange Bank schieben.
Kurzum, bei einer attraktiven Lage der Immobilie, einem guten baulichen und energetischen Zustand und einer dauerhaften Zahlungsfähigkeit des Käufers kann ein Immobilieninvestment in der Inflation sinnvoll sein. Das sehen selbst Schuldnerberater so. Das Portal schuldnerberatung.de teilt hierzu mit: „Wer ein gutes Einkommen erzielt und einen günstigen Kredit zur Immobilienfinanzierung ergattern kann, profitiert von der Inflation.“ Denn bessere Möglichkeiten, um sein Kapital vor der Geldentwertung zu schützen, sind rar.
Vorteile und Nachteile einer Baufinanzierung in der Inflation
Vorteile einer Baufinanzierung in der Inflation
- Reale Schuldensumme sinkt
Steigt die Inflation höher als in der Kreditkalkulation angenommen, werden die Kreditschulden entwertet. - Immobilienwert steigt
Mit zunehmender Teuerungsrate steigt auch der Wert der Immobilie. - Inflationsschutz
Investitionen in wertbeständige Sachwerte wie Immobilien schützen vor Geldentwertung.
Nachteile einer Baufinanzierung in der Inflation
- Höhere Bauzinsen
Mit der Inflation steigen die Bauzinsen, wodurch Immobilienfinanzierungen teurer werden. - Steigende Immobilienpreisey
Der Mangel an rentierlichen Anlagealternativen erhöht die Nachfrage nach Immobilien und lässt deren Preise steigen. - Schwierigerer Immobilienerwerb
Durch steigende Bauzinsen und Immobilienpreise wird es schwieriger, Immobilieneigentum zu erwerben.
Häufig gestellte Fragen
Ja, in einem bestimmtem Maße. Darlehensnehmer profitieren von der Geldentwertung, weil ihre Schulden und Ratenzahlungen an Wert verlieren, während ihre Immobilien durch die allgemeine Teuerung an Wert gewinnen. Eigennutzer haben hiervor aber nur dann einen Vorteil, wenn sie in der Inflation zugleich ihr Einkommen steigern können. Ansonsten verpufft der Effekt. Bei vermieteten Immobilien lässt sich die Inflation gut durch Indexmieten ausgleichen. Andere Mietanhebungen sind mitunter schwierig durchzusetzen.
Bei den derzeitigen moderaten Bauzinsen ist eine kurze Sollzinsbindung in der Hoffnung auf anschließend günstigere Zinsen eine riskante Wette. Sind die Bauzinsen dann gestiegen sein, wird das Anschlussdarlehen teurer und könnte den Investor vor Probleme stellen. Besser sind lange Sollzinsbindungen von 15 bis 30 Jahren. Die Darlehen sind dadurch etwas teurer, bieten aber Planungssicherheit und schützen über die gesamte Laufzeit vor steigenden Zinsen.
Eigentümer, die ihre Immobilie vermieten, können die Bauzinsen in der Steuererklärung voll absetzen. Das gilt sowohl für das eigentliche Immobiliendarlehen als auch für Kredite, die zum Beispiel für Reparaturen oder Umbauten aufgenommen werden. Wer dagegen eine kreditfinanzierte Immobilie selbst bewohnt, kann die Kreditzinsen nicht steuerlich absetzen.