Sparzinsen sinken, Kreditzinsen nicht
Seit die EZB ihre Leitzinsen gesenkt hat, bekommen viele Tages- und Festgeldsparer weniger Zinsen auf ihre Einlagen. Anders bei Immobilien- und Ratenkrediten: Hier müssen Kunden gleichbleibende oder sogar höhere Zinsen hinnehmen.
Im Juni 2024 hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre drei Leitzinssätze nach zehn Anhebungen in Folge erstmals wieder um je 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Für viele Sparer hat das bereits Auswirkungen. Mindestens 64 Kreditinstitute haben seit Juni ihre Tagesgeldzinsen gesenkt. Aktuell zahlen überregionale Banken im Marktdurchschnitt 0,03 Prozent Zinsen weniger als noch Anfang Juni.
Auch bei den Festgeldzinsen setzt sich der Trend moderat sinkender Zinsen seit der EZB-Entscheidung fort. Für zwei Jahre Laufzeit gibt es seit Juni 2024 im Schnitt 0,3 Prozent Zinsen weniger, gegenüber November 2023 sind es sogar 0,6 Prozent weniger. Im Gegensatz dazu müssen Kunden für einen Immobilien- oder Ratenkredit jetzt im Mittel bis zu 0,14 Prozent mehr Zinsen bezahlen als noch im Juni.
Leitzinssenkungen der EZB im Juni 2024
Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte | von 4,50 % auf 4,25 % | Wichtigster Leitzins, oft als „der“ Leitzins bezeichnet. Zu diesem Zinssatz stellt die EZB den Geschäftsbanken Geld bereit. |
Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität | von 4,75 % auf 4,50 % | Zu diesem Zinssatz können sich Banken kurzfristig Geld von der EZB beschaffen, entspricht der Obergrenze für Tagesgeld. |
Zinssatz für die Einlagefazilität | von 4,00 % auf 3,75 % | Zu diesem Zinssatz können Geschäftsbanken überschüssiges Zentralbankgeld bis zum nächsten Geschäftstag anlegen, entspricht der Untergrenze für Tagesgeld. |
Tagesgeldzinsen: Schon 64 Banken zahlen weniger
Von den untersuchten 765 Banken und Sparkassen haben inzwischen mindestens 64 ihre Tagesgeldzinsen gesenkt. Das sind gut acht Prozent. Der Analyse zufolge zahlen überregionale Banken im Durchschnitt aktuell 1,69 Prozent Zinsen auf Tagesgeldeinlagen. Vor der EZB-Leitzinssenkung waren es noch 1,72 Prozent. Wesentlich weniger bekommen Sparer bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Hier sind die Tagesgeldzinsen mit durchschnittlich 0,62 beziehungsweise 0,64 Prozent noch einmal deutlich niedriger als Anfang Juni.
Die Zahlen zeigen, dass die Zinssenkungen für Sparer sehr unterschiedlich ausfallen. 14 Geldinstitute zahlen trotz abgesenkter Guthabenverzinsung immer noch Zinsen oberhalb der Zwei Prozent-Marke, was im Marktvergleich überdurchschnittlich hoch ist. Zugleich gibt es 23 Banken, die schon vor der Notenbankentscheidung vom Juni weniger als 1 Prozent Zinsen aufs Tagesgeld zahlten und jetzt noch einmal weniger bieten.
Festgeldzinsen: Weiter moderat im Sinkflug
Auch beim Festgeld, das der Sparer für eine bestimmte Zeit zu einem festgelegten Zins anlegt, setzt sich der Trend moderat sinkender Zinsen nach den EZB-Leitzinssenkungen fort. Seit Juni 2024 ist die Durchschnittsverzinsung bundesweit verfügbarer Angebote mit zwei Jahren Laufzeit von 2,82 auf 2,79 Prozent zurückgegangen. Zum Vergleich: Im November 2023 lag das Durchschnittsniveau von Festgeldzinsen noch bei 3,39 Prozent. Das waren 0,6 Prozentpunkte mehr als Festgeldsparer aktuell bekommen.
Dass die Festgeldzinsen nach den EZB-Leitzinssenkungen nicht stärker gesunken sind, hat aus Sicht von Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier folgenden Grund: „In ihre Festgeldangebote hatten viele Kreditinstitute die erwartete Zinssenkung bereits im Vorfeld eingepreist und mussten ihre Konditionen deshalb nicht noch einmal anpassen.“ Hinzu komme, dass bundesweite Banken in diesem Segment keine Kunden verlieren wollten und deshalb mit Zinssenkungen vorsichtig seien. Dagegen hätten regionale Geldhäuser wegen ihrer ohnehin geringen Zinszahlungen noch so große Margen, dass sie die EZB-Zinssenkung nicht direkt an ihre Kunden durchreichen müssten.
Ratenkreditzinsen: Anstieg wegen erhöhtem Risiko
Während sinkende Zinsen für Sparer ein Nachteil sind, stellen sie für Schuldner normalerweise einen Vorteil dar. Doch nach der Notenbankentscheidung vom Juni 2024 sind die Zinsen weder für Raten- noch für Dispokredite gesunken. Im Gegenteil: Ein Ratenkredit war im Juli 2024 um 0,14 Prozentpunkte teurer als vier Wochen zuvor, das Zinsniveau kletterte von durchschnittlich 6,75 Prozent auf 6,89 Prozent. Dabei hatten sich die Zinsen zuvor von Dezember 2023 bis Juni 2024 nach unten bewegt.
Dass Ratenkredite wieder teurer werden, resultiert daraus, dass mehrere Banken nach den EZB-Zinssschritten ihre Kriterien für die Kreditvergabe gelockert haben. Laut Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier können dadurch auch Verbraucher mit schwacher Bonität Kredite aufnehmen, die sie zuvor nicht bekommen hätten. „Wegen des größeren Risikos verlangen die Banken bei diesen Krediten aber vergleichsweise hohe Zinsen“, beobachtet Maier.
Bauzinsen: Gleichbleibendes Niveau
Auch bei Baufinanzierungen sind die Zinsen nach der EZB-Entscheidung nicht gesunken. Aktuell müssen Eigenheimerwerber für Immobilienkredite mit 10-jähriger Zinsbindung laut Verivox im Schnitt mit 3,71 Prozent Zinsen kalkulieren, für eine 15-jährige Zinsbindung sind 3,85 Prozent Zinsen zu zahlen. Damit liegen die aktuellen Bauzinsen in etwa auf dem gleichen Niveau wie Anfang Juni 2024.
Der Grund hierfür ist, dass die Bauzinsen nur mittelbar und längerfristig von den geldpolitischen Entscheidungen der EZB beeinflusst werden. Viel wichtiger für die Banken ist, zu welchen Kosten sie sich am Kapitalmarkt refinanzieren können, und dort sind erwartete Leitzinssenkungen bereits eingepreist. Daher ist es nicht überraschend, dass Baufinanzierungen nach den Leitzinssenkungen nicht günstiger geworden sind. Daran dürfte sich auch in den kommenden Wochen wenig ändern.
Trotz des ausbleibenden Zinsrückgangs sind Baufinanzierungen zurzeit deutlich günstiger als auf dem Zinshöhepunkt im Oktober 2023. Damals wurden Baukredite mit 10 Jahren Laufzeit noch für 4,25 Prozent Zinsen vergeben. Wer zu diesen Konditionen ein Baudarlehen über 300.000 Euro aufgenomen hat, zahlt dafür rund 17.000 Euro mehr Zinsen als für den gleichen Kredit mit heutigen Bauzinsen.
Häufig gestellte Fragen
Die Bauzinsen sind zuletzt unter vier Prozent gesunken. Prognosen zufolge werden sie auf absehbare Zeit stabil auf diesem Niveau verharren oder allenfalls leicht steigen. Historisch gesehen sind Bauzinsen mit einer 3 vor dem Komma vergleichsweise günstig. Hierdurch sowie durch die im Vorjahr leicht gesunkenen Immobilienpreise und die auf breiter Front gestiegenen Einkommen ist der Immobilienerwerb aktuell erschwinglicher als noch vor einem Jahr.
Die EZB hat im Juli 2024 auf eine weitere Leitzinssenkung verzichtet. Somit sind bei der Tages- und Festgeldverzinsung vorerst keine weiteren Rückgänge zu erwarten. Wer jedoch für einige Zeit etwas Geld anlegen möchte, sollte dies rasch tun. Denn aufgrund der noch immer nicht überwundenen Inflation rechnen die Märkte mit weiteren Leitzinssenkungen in der zweiten Jahreshälfte. Dadurch würde die Zinsen für Tages- und Festgeld weiter sinken.
Aktuell ziehen die Zinsen für Ratenkredite leicht an. Sollte die EZB wie erwartet in diesem Jahr noch Leitzinssenkungen durchführen, würden die Zinsen für Ratenkredite auf dem aktuellen Niveau stagnieren oder sogar leicht sinken. In der Folge dürften Sofortkredite für Konsumenten, Autofinanzierungen und andere Ratenkredite günstiger werden.